ESRS - Set 1 (inkl. SFDR)
Der Entwurf des Delegierten Rechtsakts der Europäischen Kommission (KOM) vom 9. Juni 2023 zu den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) war Inhalt dieses Tagesordnungspunkts. Schwerpunkt der Sitzung waren die Änderungen, welche die KOM gegenüber dem Entwurf der EFRAG vom November 2022 vorschlägt. Diese Änderungen hat die KOM u.a. bei der öffentlichen Sitzung des EFRAG SRB am 14. Juni 2023 vorgestellt und mit den Mitgliedern des SRB diskutiert. Der Fachausschuss positionierte sich in seiner Diskussion zu den nachstehenden Inhalten. Hierbei flossen auch Rückmeldungen aus der AG Klimaberichterstattung ein.
Stärkung der Wesentlichkeitsanalyse
Die FA NB unterstützte mehrheitlich den Vorschlag der KOM, die Wesentlichkeitsanalyse durch das berichtende Unternehmen als Grundlage der Berichtspflichten zu stärken. Die Befürworter des KOM-Vorschlages sehen hierin ein bewährtes Instrument der Unternehmensberichterstattung, das nun auch für die Berichterstattung über Nachhaltigkeitsaspekte konsistent umgesetzt wird. Zudem stelle eine der Berichterstattung vorgeschaltete Wesentlichkeitsanalyse einen bedeutsamen Steuerungsmechanismus dar, da die hierfür in den Unternehmen notwendigen Diskussionsprozesse die Einbettung von Nachhaltigkeitsaspekten in unternehmerische Entscheidungen fördere.
Kritiker des KOM-Vorschlags (insb. FA-Mitglied Dr. Emons) argumentierten, dass aufgrund der Berichterstattung unter dem Wesentlichkeitsvorbehalt die Gefahr besteht, dass zahlreiche, für Stakeholder wichtige Informationen, nicht bereitgestellt werden. Ohne entsprechende – von der Wesentlichkeitsanalyse unabhängige – Angabepflichten, bestünden Freiheitsgrade, welche zu Lasten einer aussagekräftigen Berichterstattung missbraucht werden könnten. Zudem sei insbesondere die Vergleichbarkeit der Angaben nicht gewährleistet.
Der Fachausschuss stellte mit großer Mehrheit fest, dass es für eine effektive Anwendung der Wesentlichkeitsanalyse eines Umfeldes bedarf, dass die konsequente Umsetzung auch einfordert. Dazu zählen neben der Einbettung in die Governance der Unternehmen insbesondere unabhängige externe Prüfer, die in der Lage sind, dies mit hoher fachlicher Qualität zu tun.
Der Fachausschuss stellte zudem die fehlende Verknüpfung der Vorgaben aus SFDR und CSRD in Bezug auf die Wesentlichkeitsanalyse in Frage. Da die Berichtspflichten der Finanzmarktteilnehmer (FMT) aufgrund der SFDR aktuell keinem Wesentlichkeitsvorbehalt unterliegen, müsse dieser auch konsistent in die SFDR eingeführt werden. Andernfalls müssten FMT die entsprechenden Daten aufwendig schätzen (bzw. von Datenanbietern beziehen), und die Qualität dieser Daten wäre stark eingeschränkt. Soweit eine entsprechende Anpassung der SFDR nicht vorgesehen ist, könnte es sinnvoll sein, die mit der SFDR zusammenhängenden Angaben in den ESRS vom Wesentlichkeitsvorbehalt auszunehmen.
Umwandlung von Angabepflichten in -empfehlungen
Die Mehrheit des Fachausschuss begrüßte die Änderungen. Insbesondere sei die jetzt als Empfehlung gefasste Erläuterung zum Weglassen der Angaben über unwesentliche Themen konsistent zur Entscheidung der EFRAG, das Konzept der rebuttable presumption aus den ESRS zu streichen. Auch die weiteren, durch die KOM gezielt vorgenommenen Änderungen bei den ESRS zu Umweltthemen wurden überwiegend positiv beurteilt. Insbesondere der Verweis auf das TNFD-Rahmenkonzept sei aktuell ohne Grundlage, weil dieses bislang nur als Entwurf existiert. Zudem wurde angezweifelt, dass das TNFD-Rahmenkonzept unmittelbar eine ähnlich hohe Akzeptanz erfahren wird, wie die Empfehlungen der TCFD. Die Streichung auf bestimmte externe Quellen (wie z.B. TNFD) sei daher folgerichtig.
Mitglieder des FA NB nannten weitere Gründe, die für die von der KOM vorgeschlagene Umwandlung von Angabepflichten in -empfehlungen in den Sozialstandards sprechen: Dies seien u.a. beschränkte Zugriffsmöglichkeiten auf Daten zu nicht-angestellten Arbeitnehmern aufgrund von Datenschutzbestimmungen und/oder unzureichendem Einfluss auf Auftragnehmer (insb. außerhalb der EU) sowie ein unklares bzw. uneinheitliches Verständnis darüber, wie europäische Werte (z.B. angemessene Löhne) im internationalen Kontext zu interpretieren sind.
Insgesamt wies der Fachausschuss auf best practices hin, die sich bei neuen Regelungen regelmäßig herausbilden. Diesem Aspekt müsse jedoch ausreichend Raum und Zeit gegeben werden. Das FA-Mitglied Dr. Emons positionierte sich überwiegend kritisch zu den Änderungen der KOM und führte an, dass durch die Abschwächung der Regelungen durch die KOM ein Anreiz für Unternehmen entstünde, die Befassung mit Nachhaltigkeitsthemen mit weniger Momentum zu verfolgen.
Übergangsregelungen und CSRD minimum requirements
Die Übergangsregelungen für große Unternehmen mit weniger als 750 Mitarbeitern, die bestimmte Angaben bzw. ESRS im ersten/zweiten Jahr weglassen dürfen bzw. Anforderungen nicht anwenden müssen, wurde überwiegend positiv aufgenommen. Insbesondere wurde festgestellt, dass eine Verringerung der Granularität der betreffenden Angabepflichten in den ersten beiden Jahren der Anwendung eine wertvolle Erleichterung darstellt und den Übergang in eine detailliertere, hochwertige Berichterstattung erleichtert. Das FA-Mitglied Dr. Emons lehnte die Übergangsregeln mit Verweis auf die Dringlichkeit der Themen ab.
Kritisiert wurden die unspezifischen Regelungen in ESRS 2 bzgl. der „Use of phase-in provisions“ (ESRS 2.17), welche bestimmte Minimumangaben im Einklang mit der CSRD vorschreiben, sofern die genannten Übergangsregelungen genutzt werden. Zwar ist grundsätzlich verständlich, dass auch in der Übergangsphase nicht hinter die Vorgaben der CSRD zurückgefallen werden kann, allerdings bleibt bei der derzeitigen Formulierung unklar, welche Angaben von den Unternehmen zu diesen Minimum Requirements gefordert sind. Das deutlich unkonkretere Niveau der Richtlinie führe bei Anwendern und Prüfern zu hoher Unsicherheit. Der FA NB betont deshalb die Notwendigkeit klarer Guidance für die Nutzung dieser Übergangsregelungen und die geforderten Mindestangaben.
Weitere Flexibilisierung / Umwandlung von Pflichtangaben in freiwillige Angaben
Die Änderungen der KOM zu ESRS G1 wurden ebenfalls größtenteils begrüßt, aus Sicht des FA sollten jedoch bestätigte Fälle von Korruption und Bestechung als Pflichtangabe gefasst werden. Auch sollten Rechtsrisiken (z.B. auf Grundlage anhängiger Verfahren) stets berichtspflichtig sein, wenn diese auch Teil der finanziellen Risikoberichterstattung sind.
Positiv beurteilt wurden die von der KOM vorgeschlagenen Änderungen in Bezug auf den Prozess zur Wesentlichkeitsbestimmung (Orientierung am LEAP-Konzept nun freiwillig) in den ESRS zu Umweltaspekten. Auch die von der KOM in den ESRS zu Sozialthemen vorgeschlagene Konkretisierung der Angabe über die Einbindung wahrscheinlich betroffener Stakeholder (anstatt „möglicherweise betroffener Stakeholder“) wurde, wenn auch nicht konsensual, aufgrund der Verhältnismäßigkeit positiv gewürdigt. Gleiches gilt für die konzeptionellen Klarstellungen, wie bspw. der Fokus auf wesentliche Stakeholder (key stakeholder).
Sonstige Rückmeldungen
Die Änderungen zugunsten einer höheren Interoperabilität (z.B. „anticipated financial effects“ statt „potential financial effects“) wurden konsensual begrüßt.
ESRS E1: Operative Kontrolle als Maßstab für Treibhausgas-Emissionen bei nicht-konsolidierten Unternehmen
Die Mehrheit des Fachausschusses bestätigte mehrheitlich (nicht konsensual) die Kritik des DRSC an der Einschränkung des Greenhouse-Gas-Protocol (GHGP) in ESRS E1-6, welches zudem gem. Anhang A des Standards relevant für die Bemessung der Treibhausgas-Emissionen sein soll. Mit der Einschränkung auf den operational-control-Ansatz für die Ermittlung der Emissionen, die auf assoziierte Unternehmen etc. entfallen, werde die im GHGP gewährte Methodenwahl verletzt. Damit gelte für Nachhaltigkeitsberichte gem. ESRS eine andere Vorgabe als für Nachhaltigkeitsberichte, welche in Non-EU-Jurisdiktionen unter Beachtung des GHGP aufgestellt werden. (Das GHGP sieht die Wahl zwischen dem financial-control-, operational-control– und equity-share-Ansatz vor.) Damit sei auch der Grundsatz des level-playing field im internationalen Kontext nicht erfüllt.
Außerdem stellte der Fachausschuss fest, dass der Begriff der operational control weder im GHGP noch in den ESRS hinreichend genau definiert sei und auch in der Praxis sehr unterschiedlich verstanden werde. Unter anderem mangele es an klaren Abgrenzungskriterien zur Unterscheidung zwischen financial control und operational control, was zu Unsicherheit bei Anwendern, zu anhaltend uneinheitlicher Auslegung in der Berichtspraxis und damit zu eingeschränkter Vergleichbarkeit der Angaben auf der Grundlage des operational-control-Ansatzes führe. Die Mehrheit des Fachausschusses lehnte eine exklusive Orientierung am operational-control-Ansatz ab und sprach sich für eine konsistente Ausrichtung am GHGP aus.
Ein Fachausschussmitglied widersprach dieser Ansicht.
ESRS E1: Brutto-Ausweis der erwarteten finanziellen Effekte
Der vorgeschlagenen Regelung in ESRS E1.67f, die erwarteten finanziellen Effekte aus wesentlichen physischen Risiken bzw. Übergangsrisiken vor Berücksichtigung entsprechender Anpassungsmaßnahmen zu bemessen, widersprach der Fachausschuss einhellig. Die Pflicht zum Brutto-Ausweis widerspreche der gängigen Berichtspraxis, in der beide Varianten (d.h. Netto- und Brutto-Ausweis) genutzt werden. Weiterhin erfolge ebenso in der Finanzberichterstattung, insbesondere im Abschluss, die Abbildung finanzieller Risiken regelmäßig auch auf Netto-Basis unter Angabe der Maßnahmen, die das Bruttorisiko auf das Nettorisiko verringern, da finanziell relevante Risiken in ökonomischer Betrachtung Nettoeffekte seien.
Eine starre Vorgabe zur Angabe der Brutto-Risiken in den Nachhaltigkeitsinformationen führe damit zu inkonsistenten Information und gefährde sowohl die Verknüpfung von finanziellen und nachhaltigkeitsbezogenen Aspekten in der Unternehmenssteuerung als auch die Konnektivität von Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung. Wichtig erschien hier, dass diese Angabe eine Beurteilung der finanziellen Auswirkungen ermöglichen soll. Diese sind jedoch nicht aus den Bruttorisiken, sondern aus den Nettorisiken ableitbar. Eine Aussage zu den finanziellen Auswirkungen von Bruttorisiken überhöhe das dargestellte Risiko, insbesondere, wenn das Unternehmen bereits Maßnahmen zur Reduzierung dieses Risikos ergriffen hat. Entscheidungen auf Basis dieser Angabe wären nicht sachgerecht. Auch müsse geprüft werden, ob der endgültige IFRS S2 hierzu Vorgaben enthält, da ein Gleichlauf mit ESRS E1 notwendig ist.
Der Fachausschuss verwies in diesem Zusammenhang auf die Regelungen des DRS 20, welcher ein Wahlrecht zur Brutto- oder Nettomethode vorsieht, wobei im letzteren Fall die Maßnahmen der Risikobegrenzung darzustellen sind. Er sprach sich einhellig für ein Wahlrecht in den ESRS aus.
- 18_12_FA-NB_Set-1_KOM_CN.pdf
- 18_12a_FA-NB_Set-1_KOM_Basis.pdf
- 18_FA-NB_TOP_12.mp3